Novembergedanken

Leichter Nieselregen massiert eindringlich die Frontscheibe meines alten,' verdellten' Renaults. Er lässt es sich schnurrend gefallen.

Ich tuckere die Hauptstaße in Schöneberg entlang. Fast alle Fahrer, neben und hinter mir, halten sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h. 

Das Verkehrsschild mit der Aufschrift 'Luftreinhaltung' scheint die gewünschte Wirkung zu zeigen, auch wenn es nur der sogenannte,    Tropfen auf dem heißen Stein ist.

An der Ampelkreuzung sehe ich drei dunkelhäutige Männer, die mit ihrem breiten Lachen, die Sonne auf das Fleckchen Erde holen, auf dem sie stehen.

Ich fahre an einem Dönerladen vorbei, aus dem ein junges Pärchen torkelt. Hilfesuchend klammern sie sich aneinander.

Ein paar Meter weiter zieht eine alte Frau ihren Einkaufstrolley hinter sich her. Das dunkle Kopftuch verdeckt ihr Gesicht. Nur an den knotigen Fingern kann ich erkennen, dass sie einer älteren Generation angehört.

Es riecht nach Abgasen, obwohl das Fenster geschlossen ist.

Wie oft bin ich diese Straße entlang gefahren und habe gedacht, dass es in Berlin wahrlich schönere Ecken gibt.

Und doch hat mich genau diese Vielfalt und Gegensätzlichkeit all die Jahre hier, genährt.

Bis jetzt wollte ich nie irgendwo anders leben. 

 

Einer meiner Lieblingsorte ist der Kiez rund um den Winterfeldtplatz.  Es ist Markt.  Ich mache die nötigen Besorgungen, sitze danach mit meinem wohlverdienten Espresso in einem Cafe, in der Akazienstraße und beobachte

das bunte Treiben. Das Cafe ist brechend voll und der Service hat alle Hände voll zu tun.

Draußen vor dem Cafe sehe ich einen Mann, der konzentriert in einem Müllbehälter wühlt, während ein anderer die Passanten um ein paar Cent bittet.

Auf der anderen Straßenseite tritt ein Pärchen mit Tüten behängt aus einem Desigernladen.

Faktisch weiß ich nicht, wer von den Vieren am glücklichsten ist.

Ich kann es nicht wissen.

 

Ich sehe nur einen Bruchteil von dem, was wirklich geschieht

und doch bilde ich mir ein ganzes Urteil.

Dabei hat jeder von uns im Leben, einen eigens für ihn bestimmten Weg, in einem eigens für ihn bestimmten Tempo.

Egal ob in Berlin, Bolsena, Managua oder Eisenhüttenstadt.

Egal wo, wer oder was wir sind.

Es ist ein Leben, das uns alle verbindet.

 

Leichter Nieselregen massiert mein Gesicht und ich lasse es mir schnurrend gefallen.

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Katja (Dienstag, 03 Dezember 2019 23:41)

    Wie wunderschön und wie wahr.