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Begegnung mit einem 'Straßenpoeten'

Vor ein paar Tagen hatte ich eine berührende Begegnung mit einem Mann, der auf der Straße lebt.

 

Der Morgen ist kalt und sonnig und meine Laune nicht die beste. Ich hatte mich über einen Geldautomaten geärgert.

Verkehrte Welt.

Missmutig gehe ich über den Savignyplatz. Da fällt mein Blick auf ein Matratzenlager, dass ordentlich verstaut unter der S-Bahnbrücke liegt. Fast hat es den Anschein, als würde es dorthin gehören.

Nicht weit davon entfernt sitzt ein Mann. Dick eingepackt lehnt er am Brückenpfeiler, so dass ich sein Gesicht kaum erkennen kann, nur der graue Bart sticht in die kalte Wirklichkeit.

Sofort verändert sich meine Wahrnehmung und mir wird (nicht zum ersten Mal) schlagartig klar, dass es nicht tauglich ist, wenn ich mich selbst, zu wichtig nehme.

 

Kurzerhand ziehe ich einen Schein aus der Tasche, um diesen Mann mit einer kleinen Gabe zu unterstützen.

Ich würde gern sagen, dass meine Geste einem Gefühl demütiger Nächstenliebe entspringt, aber das Leben hat mich im Laufe der Jahre etwas anderes gelehrt.

All das, was ich tue, tue ich in erster Linie für mich.

Dieser Satz mag egoistisch klingen, deshalb könnte es sich, für den einen, oder die andere lohnen, die Schwingung, hinter dieser 'Wortsinfonie' zu ertasten, um mit ihr Frieden zu schließen.

Oder auch nicht;)

 

Während ich mich also hinunterbeuge, um meinen Obolus abzugeben, sehe ich in sein Gesicht.

Ich bin überrascht.

Er ist nicht so alt, wie ich vermutet habe, aber er sieht müde aus. Kein Wunder, das Leben auf der Straße ist hart, ganz gleich, ob er sich bewusst dafür entschieden hat, oder nicht.

Unsere Augen begegnen sich.

In diesem 'AugenBlick' entsteht so etwas wie ein zeitloser Raum und ich verspüre... Dankbarkeit.

Dankbarkeit dafür, dass nicht ich, dort in der Kälte sitzen muss.

Dankbarkeit dafür, dass er das, ein Stück weit für mich, übernimmt -  und nicht nur für mich...

Keiner von uns ist besser oder schlechter als der andere.

Der einzige Unterschied ist der, dass wir verschiedene (Lebens)wege haben.

 

Leicht verwirrt ob dieser Erkenntnis, die mir durch Mark und Pein fährt, blicke ich auf einen Stapel zusammengehefteter Papiere, die er mir entgegenhält.

"Die möchte ich dir gern geben", sagt er schlicht und seine trüben Augen verziehen sich zu einem Lächeln. 

"Es sind Gedichte, die ich geschrieben habe." 

Überrascht nehme ich die Blätter entgegen und obwohl wir kaum miteinander gesprochen haben, fühle ich mich ihm auf seltsame Weise verbunden.

Neugierig überfliege ich die Texte.

Sie erzählen von seinen Erfahrungen, die er in einer klaren, sinnlichen und tiefgründigen Form 'verdichtet' hat.

Ich frage ihn, ob ich eines davon auf meinem Blog veröffentlichen darf.

Er nickt gleichgültig und ich nehme ihm seine Haltung vollkommen ab. Er würde sonst wohl kaum auf der Straße leben.

Folgenden Text hat er für diesen Artikel ausgesucht.

 

Seelengesang

Durch den seelischen Gesang

in einem Ring aus Schweigen

tanzen wir den stillen Reigen

mit den Geistern in Einklang

in dem Erkenntnisse sich zeigen.

 

Durch dieses göttlich' tönen

aus dem Individuellen

wahrhaftig Träume quellen

solche überirdisch schönen

die die Wirklichkeit erhellen.

 

So dem Göttlichen begegnend

durch das strahlende Gesicht

das spiegelnd widerspricht

uns wiederscheinend segnend

mit der Wahrheit flammend Licht.

 

Von solchem Licht getragen

die Seele stets erbebt

sich himmelwärts erhebt

entledigt aller Fragen

nun endlich ewig lebt.

 

Danke Carsten König!

Das, was du mir an diesem Tag aufgezeigt hast, ist mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen!

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Vera die "alte" Freundin (Freitag, 27 Dezember 2019 08:34)

    So eine Begegnung ist wahrlich ein Geschenk
    Schön, dass Du mit so offenen Augen durchs Leben gehst.