Bolsena 2.0

Wir sind tatsächlich in Bolsena angekommen. Internetanschluss steht, die Kartons sind ausgepackt, ein Drittel wieder eingepackt. Wir haben keinen Platz.

Wir wollten sowieso dem Minimalismus 'entgegenstreben'. Allerdings hat die Vorstellung davon, letztendlich wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Das weiß ich ja bereits.

Stop!

Die Karten werden neu gemischt. Wie spannend!

Die Wohnung ist klein, leider nicht besonders gut geschnitten. Es gibt weder einen Dachboden, noch Keller oder eine Speisekammer, dafür zwei relativ große Bäder und eine wunderbar geräumige Terrasse mit herrlichem Ausblick.

Und... Sonne pur.

Selbst bei trübem Wetter, strahlt ein anderes Licht. Ein Licht, das welkende Blumen wieder zum Leuchten bringt. (eines der Gründe neben dem 'mangiare', weswegen ich hierhergezogen bin)

 

Als wir uns in den ersten Tagen brav im hiesigen Einwohnermeldeamt vorstellten, fehlten uns einige Papiere, die wir wiederum erst dann bekommen, wenn wir angemeldet sind.

???

Zudem erklärt mir die freundliche Dame, während sie über ihre Brille mit Goldrand späht, dass ich nicht krankenversichert bin. Bei meinem Mann, als Italiener, bestünde kein Problem, aber wie das in meinem Fall wäre... da müsse sie sich erst erkundigen.

"Ragazzi", sagt sie freundlich, am besten ihr bleibt in eurer Wohnung und tut nichts, wobei ihr euch verletzen könnt."

Ich würde mich gern über die Bezeichnung "ragazzi" freuen, doch mit dem eben genannten Hintergrundwissen gelingt mir das nicht sofort.

Ich bin also so etwas wie ein Niemand. 

Auf meinem deutschen Personalausweis klebt ein Schildchen mit der Aufschrift, 'kein Wohnsitz in Deutschland' und hier gibt es Probleme mit meiner Anmeldung.

Wir verlassen das alte Gebäude und treten auf die von der Sonne beschienenen 'Piazza'. Einige Menschen sitzen an kleinen Tischchen und schlürfen Cappuccino mit einer Crema, die es nur hier gibt.

Die ganze Zeit rede ich davon, dass ich keine Sicherheiten brauche. Jetzt erlebe ich es. Ist das ein Unterschied für mich?

Ehrlich gesagt, es fühlt sich nicht schlecht an.

Klar, ich habe Geld in der Tasche und ein Dach über dem Kopf. Mein 'Problemchen' ist in keiner Weise zu vergleichen mit kriegsflüchtigen Menschen, die nicht mehr besitzen als das, was sie an ihrem Körper tragen.

Also, kein wirklicher Grund sich aufzuregen, das lässt nur den Blutdruck in die Höhe schnellen und dann...

Stop!

Schließlich bin ich keine Außerirdische, die ohne Proviant und ohne Bücher (meine schlimmsten Vorstellungen) ins Weltall geschossen wird.

Ich strecke mein Gesicht in die Sonne.

Mein Mann (nennen wir ihn künftig M., um ihm seine Privatsphäre zu lassen) sieht mich grinsend an. Ich grinse zurück. Wir verstehen uns ohne Worte.

Gerade ist ein Platz frei geworden.

Wir setzen uns an das Metalltischchen und bestellen einen cremigen Cappuccino.

Wir sind tatsächlich angekommen. Nur das zählt.

Alles andere wird sich fügen.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Tantchen� (Donnerstag, 06 Februar 2020 14:46)

    Da drück ich fest die Daumen dass du auch "offiziell "deinen Platz findest bzw hast